Im September und Oktober 2011 verbrachte ich insgesamt vier Wochen im Rahmen eines Praktikums in Spanien, genauer gesagt in A Coruña in der Region Galizien im Nordwesten des Landes am Atlantik, an der Grenze zu Portugal. Das Praktikum habe ich in der Handelskammer verbracht, wo ich in der Abteilung Außenhandel gearbeitet habe und mich z.B. mit Import und Export beschäftigen musste. Bevor es dort aber losging, war ich die ersten zwei Tage in der spanischen Partnerschule.
Die Einrichtung war keine spezifische wie die der KBS Nordhorn, sondern wurde von Schülerinnen und Schülern aller Altersgruppen besucht. Es wurden sowohl Kinder unterrichtet, als auch Jugendliche und junge Erwachsene, die dort eine Ausbildung absolvierten. In Spanien werden die Ausbildungen im Gegensatz zu Deutschland in der Regel nur schulisch durchlaufen. Eine betriebliche Ausbildung wird nicht angeboten. Das ist auch einer der Gründe, warum die Jugendarbeitslosigkeit so hoch ist: Die meisten Firmen möchten Fachkräfte mit praktischer Erfahrung einstellen, da die Bewerber bisher jedoch nur schulisch ausgebildet wurden, fehlt ihnen genau diese Anforderung. Deswegen bekommen zum Teil nicht einmal mehr Universitätsabsolventen mit Doktortitel eine Stelle.
Was mir in der Schule sofort aufgefallen ist, ist die völlig andere Unterrichtsmentalität. Lehrer begrüßen Schüler auf dem Gang teilweise mit Wangenküsschen und sind nicht so förmlich wie in Deutschland. Im Betrieb war es genauso: Meine Chefin war ungewohnt locker; zum Abschied wurde ich von den Arbeitskollegen geküsst und umarmt. So etwas wäre hierzulande wohl etwas unpassend, ist dort aber der Normalfall. Das hat auch zu so manch komischer Situation geführt: Als ich in der Schule eine Lehrerin traf und mich vorstellen sollte, wollte ich ihr die Hand geben. Die Frau starrte meine Hand nur an und fing dann mit den Umstehenden an zu lachen, um mir dann einen Schmatzer auf die Wange zu drücken.
Um in der Schule am Ball zu bleiben und den Stoff zu verstehen, muss man aufpassen, da fast nichts an die Tafel geschrieben wird. Stattdessen werden die wichtigen Informationen an die Wand gebeamt und Handouts verteilt, und oft diktiert der Lehrer auch nur und die Schüler schreiben mit. Allerdings nicht mit der Hand, sondern am PC. Dadurch lernt man auch gleich, vernünftig zu formatieren und kann sich Daten so notieren, wie es für einen selbst am leichtesten zu lernen ist. Da die Schul-Computer scheinbar ein wenig langsam sind, nehmen aber so gut wie alle Schüler ihren eigenen Laptop mit. Das ist auch etwas, was mir auffiel: Das Land steckt in einer Wirtschaftskrise, viele junge Leute haben nicht einmal einen Nebenjob, aber jeder besitzt einen Laptop und anderen technischen Schnickschnack. Insofern habe ich – zumindest in der Schule – die Krise nicht so stark gespürt. Auf der Straße gab es manchmal aber schon Anzeichen: Ich habe ab und zu Leute gesehen, die versucht haben, sich mit ein bisschen Straßenmusik über Wasser zu halten, oder die sich einfach nur mit einem Schild in der Hand hingesetzt haben: Ich habe meine Arbeit verloren, bitte helfen Sie mir. Allerdings hat man mir erzählt, dass es der galizischen Wirtschaft im spanischen Vergleich trotz der Krise noch relativ gut geht.
Anfangs musste ich mich erst ein wenig an die Lebensgewohnheiten und die Größe der Stadt gewöhnen: In A Coruña leben ca. 245.000 Einwohner, mit den Vororten etwa 407.000. Verglichen mit Städten wie Madrid oder Barcelona ist das wenig, aber wenn man aus der Grafschaft kommt, ist es zunächst eine Umstellung. Vor allem das Essen ist anders: Weil A Coruña am Meer liegt, essen die Menschen dort sehr viel Fisch und Meeresfrüchte. Besonderes letzteres war für mich ein ziemliches Abenteuer, da ich keine Ahnung hatte, wie man Muscheln oder Tintenfisch isst. Das Essen dort war definitiv unglaublich lecker und – das Beste – in einigen Bars umsonst. Von Zeit zu Zeit kam dann mal ein Kellner mit einem Tablett und man konnte sich eine Kleinigkeit aussuchen, ein sogenanntes “Pincho”, allerdings nur, wenn man vorher etwas zu trinken bestellt hatte. Ein besonderes Erlebnis war für mich auch das Einkaufen von Schinken: Entweder im Supermarkt oder in spezialisierten Geschäften und Bars. Da hing dann an der Wand der Schinken mit dem kompletten Bein und Huf dran, und wenn man etwas wollte, wurde das Bein von der Wand genommen und an einer Maschine etwas abgesäbelt. Teilweise kostet ein Kilo von solchem Schinken 130,00 €.
Mir hat das Praktikum auf jeden Fall sehr gut gefallen, auch wenn vier Wochen definitiv zu kurz waren. Um einen richtigen Einblick ins Unternehmen bekommen und einzelne Organisationsabläufe besser verstehen zu können, wäre mehr Zeit angebracht gewesen. Um sich sprachlich weiterzubilden, hat die Zeit nicht wirklich ausgereicht. Ich verstehe spanische Muttersprachler ein wenig besser und ich habe auch viele neue Wörter gelernt. Um allerdings wirklich bewusst zu merken, dass sich deutlich etwas verbessert, muss man schon mindestens ein paar Monate da sein oder ein Jahr. Trotzdem würde ich jedem empfehlen, es zu versuchen, da man eine solche Chance nicht jeden Tag geboten bekommt. Auf jeden Fall waren die vier Wochen ein unvergessliches Erlebnis und ich hoffe, dass ich nicht das letzte Mal beruflich im Ausland war!