Nordhorn von außen betrachtet

  • Beitrag veröffentlicht:5. Juni 2015
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“Literature Live” will den interkulturellen Austausch mittels regionaler und zeitgenössischer Literatur fördern. Letzter Stopp auf dieser Lesereise war Nordhorn. Nach knapp einer Woche ziehen die Teilnehmer ein Fazit.

“Als Grenzstadt ist Nordhorn immer wieder Gastgeber für Menschen aus vielen Ländern”, erklärte Bürgermeister Thomas Berling, als er die rund 50 Delegierten aus Europa am Montag im großen Sitzungssaal des Nordhorner Rathauses empfing. Zu diesem Zeitpunkt waren die Gäste frisch angereist. Einige kamen erst gegen 3 Uhr nachts in der Wasserstadt an. Sie waren gekommen, um an “Literature Live” (zu deutsch: Literatur hautnah) teilzunehmen.

Das Projekt aus dem Förderprogramm “Comenius” der Europäischen Union, soll zur Völkerverständigung beitragen, indem die Schüler sich mit regionalen Schriftstellern auseinander setzen und diese dann den europäischen Partnerschulen vorstellen. Teil dieses Projektes ist auch der gegenseitige Besuch der teilnehmenden Schulen. Sechs hatten sich dazu bereit erklärt, darunter auch die teilnehmenden Kaufmännischen Berufsbildenden Schulen (KBS) des Landkreises in Nordhorn.

KBS-Lehrer Joachim Tholema leitete den Austauschbesuch und stellte seinen Gästen ein Programm zusammen – darunter eine Stadtrallye durch Nordhorn, die Besichtigung der Burg Bentheim, einen Besuch bei der Meyer Werft und ein Abstecher ins niederländische Groningen. Die Delegierten sollten somit einen Eindruck von der Kreisstadt und der Region bekommen.

“Durch die Nähe zu den Niederlanden bekommt die Region Grafschaft Bentheim ein internationales Flair”, sagte der 16-jährige Krystof Stupka aus Tschechien. Er war nach eigenen Angaben bereits “Tausende Male” in Deutschland. Ein Besuch in Nordhorn war allerdings auch für ihn neu. “Ich mag die Nordhorner Art”, sagte er. Auch die Architektur habe es ihm angetan.

Die Gäste aus Rumänien hatten zu Beginn ihres Besuches ebenfalls mit Vorurteilen zu kämpfen. “Wir dachten, die Deutschen wären sehr streng, kalt und distanziert”, erklärte die Englischlehrerin Otilia Vîrvorea. Allerdings mussten sie feststellen, dass dies mitnichten so ist. “In Nordhorn sind wir sehr warm und freundlich empfangen worden”, erinnerte sie sich. Auch hatten die drei Lehrerinnen erwartet, an jeder Ecke Würstchen und Bier kaufen zu können. “Allerdings wurden wir nicht fündig”, sagte die Englischlehrerin.

Stattdessen fielen ihnen die vielen Grünflächen und Radfahrer auf. In ihrer Heimatstadt Bârlad gebe es auf den Straßen hingegen keinerlei ausgewiesene Radwege. “Das läuft bei uns erst an”, erklärte die Englischlehrerin.

“Wir haben allerdings auch festgestellt, dass wir ähnliche Probleme haben”, sagte Vîvorea. “Beispielsweise lesen die wenigsten unserer Schüler freiwillig Bücher.” Meistens würde sich dies auf Pflichtlektüren aus dem Unterricht beschränken. “Sie lesen schon gar keine zeitgenössische Literatur – obwohl einige Lehrer aus dem Kollegium selbst Schriftsteller sind”, erläuterte sie. Daher würde “Literature Live” auch einen wichtigen Beitrag dazu leisten, Schülern das Lesen näher zu bringen.

Für ihre Kollegin, die Geografielehrerin Biana Istrate, ist darüber hinaus der kulturelle Austausch eines der Hauptziele, die das Projekt verfolgt. “Es trägt dazu bei, dass wir Vorurteile und Stereotypen abbauen”, erläuterte sie. “Denn die Landesgrenzen gibt es nur noch in unserem Kopf. Wir sind alle gleich; wir sind alle Bürger der Europäischen Union.” Die Geografielehrerin ist der Auffassung, die Europäer müssten erkennen, dass sie eine Multikultigesellschaft sind und dies akzeptieren.

Diese Philosophie war es auch, die den 17-jährigen Schüler, Andrea Karrillo, aus dem italienischen Narni dazu bewegte, an “Literature Live” teilzunehmen. “Das Projekt hat mich gereizt, weil ich dadurch andere Länder und Kulturen kennenlernen kann”, sagte Karrillo. Dieser gegenseitige Austausch verkörpere für ihn das Konzept Europas. Die Woche in Nordhorn habe er sehr genossen. “Die Leute sind wirklich freundlich und haben gute Manieren.” Was ihm bei der Stadtrallye durch Nordhorn aufgefallen ist: “Die Häuser sehen hier alle gleich aus. Überall stehen dieselben Backsteinhäuser. Bei uns in Italien gibt es das nicht.”

Quelle: www.gn-online.de