Vortrag über die Erinnerungen des Holocaust-Überlebenden Solly Ganor

  • Beitrag veröffentlicht:8. November 2013
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Mit „außerordentlicher Disziplin“ haben die KBS-Schüler am Donnerstag einen Vortrag über die Erinnerungen des Holocaust-Überlebenden Solly Ganor verfolgt. Betroffenheit machte sich unter den Schülerinnen und Schülern der Kaufmännischen Berufsbildenden Schulen in Nordhorn breit, als Referent Jakob Odinius am Donnerstag die Memoiren des Holocaust-Überlebenden Solly Ganor vortrug.

Dass der ein oder andere jüdische Zwangsarbeiter beim Bau eines unterirdischen Bunkers in den flüssigen Beton gefallen ist und darin einen grausamen Tod fand, war für die Bauherren im Dritten Reich nicht weiter schlimm: Die Planer hatten zuvor berechnet, wie viel „Biomasse“ im Baustoff enthalten sein darf, damit das Gebäude stabil bleibt. Dieser menschenverachtende Zynismus verschlug manchem Schüler die Sprache. Im Rahmen der Bildungsinitiative „Das andere Leben“, die vom Kultusministerium des Landes finanziert wird, ist Jakob Odinius, den eine jahrelange Freundschaft mit Ganor verbindet, seit 2011 zu Gast in niedersächsischen Schulen, um die Erinnerungen aus erster Hand wachzuhalten.

Solly Ganor, 1928 in Litauen als Kind jüdischer Eltern geboren, musste früh sein Heimatdorf verlassen, als nach der Machtergreifung der Nazis die Stimmung der deutschen Einwohner gegenüber Juden umschlug. Sein geliebtes Schaukelpferd schenkte er seinem besten Freund Hansi Müller. Dieser wurde Mitglied der Hitlerjugend, verschonte seinen früheren Kumpel aber bei einer Begegnung Jahre später, als der ihn erkannte und auf das Schaukelpferd ansprach.

Die Erzählungen von Solly Ganor, der die Vorträge mittlerweile aus Altersgründen nicht mehr selbst halten kann, beschreiben aus persönlicher Sicht die Gräueltaten der Nazis sowie der Litauer, die sich freiwillig für den Dienst in der SS gemeldet hatten. 28000 Juden lebten vor dem Zweiten Weltkrieg in der litauischen Stadt Kaunas, wo Ganor seine Jugend im Ghetto verbrachte. Er erlebte, wie die Nahrungsmittelknappheit die Menschen dort zermürbte, wie Frauen und Kinder zusammengetrieben und zur Erschießung abgeholt wurden und wie Juden schließlich für den Bau von Militäranlagen Zwangsarbeit leisten mussten.

Trotz dieser Erlebnisse schreibt Solly Ganor nichts von Schuld. Und auch Redner Jakob Odinius sagte zu den Berufsschülern: „Ihr sollt nun nicht mit dem Finger auf die Menschen von damals zeigen, die das zugelassen haben. Es kommt darauf an, dass so etwas in Zukunft nicht mehr passiert.“

Mit einer „außerordentlichen Disziplin“, wie Odinius es ausdrückte, verfolgten die Jugendlichen den rund anderthalbstündigen Vortrag. Er forderte die Schülerinnen und Schüler zum Abschluss auf, ihren eigenen Beitrag zur Bewahrung von Freiheit und Demokratie zu leisten: „Bei der nächsten Wahl sind Sie alle über 18. Gehen Sie wählen!“ Es sei wichtig, die Wahlbeteiligung zu erhöhen – um dem Glück Rechnung zu tragen, in einem Staat wie dem heutigen Deutschland leben zu dürfen.

Quelle: Grafschafter Nachrichten vom 8. November 2013
Bericht: Sebastian Hamel
Foto: Stephan Konjer