Sandrine Trautmann (Auslandspraktikum in Galizien)

  • Beitrag veröffentlicht:27. November 2014
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Im Oktober und November 2014 habe ich insgesamt vier Wochen im Rahmen eines Auslandspraktikums in Galizien, Spanien verbracht. Ich habe in Santiago de Compostela, in der Region Galizien, an der Grenze zu Portugal gelebt und gearbeitet. Das Praktikum habe ich bei der Firma Cointega – Cluster Textil Moda absolviert. Der Hauptsitz dieser Firma befindet sich in Vigo, das sich ca. 90 km von Santiago entfernt befindet. Daher war ich in einem kleinen Büro mit lediglich drei Personen, mich mit eingeschlossen. Gegenüber des Büros befand sich eine Cafeteria der mathematischen Universität, was sich noch als sehr hilfreich herausstellte, da man dort wirklich sehr preiswert Mittagessen konnte.

Meine Aufgaben im Praktikumsbetrieb waren unter anderem Auswertungen über verschiedene europäische Messen anzufertigen, Briefe und Emails ins Englische und Deutsche zu übersetzen und Bestätigungen zu schreiben. Ein sehr angenehmer Vorteil war außerdem, dass meine Vorgesetzte sehr gut Englisch sprach und mir so sehr viele Dinge hervorragend erklären konnte, die auf Spanisch doch ein wenig schwierig zu verstehen waren.

Die Betreuung der Partnerschule wurde von der IES San Clemente übernommen. Die Schule befindet sich in einem sehr alten, jedoch modern eingerichteten Gebäude nahe der Altstadt. Da es sich um eine Informatik-schule handelt, kann man dort ebenfalls eine Ausbildung absolvieren, allerdings sind diese Ausbildungen rein schulisch. Das Prinzip der dualen Ausbildung wie in Deutschland gibt es in Spanien nicht. Daher besuchen sehr viele junge Menschen dort nach der Schule die Universität und studieren für einige Jahre. Da die Arbeitslosigkeit unter jungen Leuten besonders hoch ist, gehen immer mehr junge Spanierinnen und Spanier ins Ausland, da sie sich dort bessere Arbeitsmöglichkeiten erhoffen. Viele dieser jungen Menschen sind sehr gut qualifiziert, weswegen sie auch immer häufiger im Ausland bleiben und in ihrer Heimat nur noch “Urlaub” machen. Die hohe Jugendarbeitslosigkeit ist ein großes Problem in Spanien, wie ich während meines Aufenthaltes mitbekommen habe. Meine Gasteltern sowie auch die Kollegen im Betrieb haben mir sehr viele aktuelle Probleme und Missstände in Spanien erläutert und näher gebracht.

Da ich nur am ersten Praktikumstag wenige Stunden in der Schule verbracht und nicht selbst am Unterricht teilgenommen habe, kann ich wenig zur Schule und dem Verhalten der Schüler dort sagen. Ich wurde sehr freundlich von allen Leuten dort empfangen und aufgenommen, so dass ich mich dort auf Anhieb sehr wohl gefühlt habe. Der Umgang in Spanien ist im Privat- wie auch im Berufsleben viel lockerer als hierzulande, was am Anfang wirklich sehr ungewohnt ist. Man begrüßt sich überall mit Wangenküsschen und Umarmungen, dabei spielt es absolut keine Rolle ob man sich kennt oder in welchem Verhältnis man zueinander steht.

Die Sprache hat während meines Aufenthaltes übrigens das geringste Problem dargestellt. Man unterhält sich am Anfang mit Händen und Füßen oder notfalls in Englisch. Wobei ich die Erfahrung gemacht habe, dass viele Spanier, die ich dort kennengelernt habe, nicht wirklich gut Englisch sprechen konnten – weder die Älteren noch die Jüngeren. Von Zeit zu Zeit werden das Verständnis und das Gefühl für die spanische Sprache jedoch immer besser und die kam von Tag zu Tag immer mehr zum Einsatz. Insbesondere dadurch, dass meine Gasteltern weder Deutsch noch Englisch gesprochen haben, war ich sehr auf Spanisch angewiesen, was sich im Endeffekt jedoch als sehr vorteilhaft herausgestellt hat.

Ganz großes Glück hatte ich mit meiner Gastfamilie. Das war wirklich der Punkt, vor dem ich am meisten Angst hatte, als ich merkte, dass das Praktikum näher rückt. Aber meine Familie war wirklich wunderbar und ihnen habe ich es auch zu verdanken, dass ich dort eine sehr tolle Zeit verbracht habe. Sie haben mich am ersten Tag vom Flughafen abgeholt, und sind direkt mit mir in die wunderschöne Altstadt von Santiago gefahren. Sie haben mir die Stadt gezeigt, die Kathedrale, die vielen Kirchen und Bauwerke erklärt und mich hervorragend in ihre Familie integriert. Nach den ersten zwei Wochen habe ich mich nicht mehr fremd in ihrer Familie gefühlt, weil meine Gasteltern mich überall mit hingenommen haben. Sei es zur Familie, den Verwandten oder den Freunden – und man wurde überall sehr gut aufgenommen. Die Menschen haben sich viel mit mir unterhalten, auch wenn ich nicht immer alles verstanden habe.

Schwierig war für mich vor allem der Akzent, da dort fast ausschließlich galizisch gesprochen wird – das hat mit dem Spanisch, das wir in der Schule lernen, leider nicht mehr viel zu tun. Meine Gastfamilie hat sich aber sehr bemüht, überwiegend mit mir in reinem, akzentfreiem Spanisch zu sprechen, was man wieder rum sehr gut verstehen konnte. Ein weiterer sehr schöner Aspekt meines Auslandsaufenthaltes war, dass ich sehr viel von Galizien gesehen habe. Ich war in den wichtigsten Städten wie Lugo, Vigo, Pontevedra und A Coruña, habe viele Strände, kleinere Dörfer, die Landschaft und Küstenabschnitte gesehen. Besonders beeindruckend fand ich ebenfalls die alten Bauwerke, Kirchen und Kathedralen, die ich meistens mit meinen Gastvater besucht habe, da er sich sehr viel Zeit genommen hat, mir alles Interessante zu erklären. Doch einer der schönsten Momente in dieser Zeit war das Ende der Welt zu sehen. (spanisch Cabo Fisterra). Doch bei vielen Ausblicken, die ich dort erleben durfte, stockt einem so manches Mal der Atem.

In Santiago de Compostela leben ca. 96 000 Menschen und die Stadt kommt einem riesig vor, mit all den engen verwinkelten Gassen. Im Gegensatz zum kleinen beschaulichen Neuenhaus fühlt man sich dort verloren und es dauert ein paar Tage bis man sich daran gewöhnt hat. Außerdem sind die Straßen dort sehr eng und steil, wes-wegen ich mich auch nicht dazu überreden konnte, dort selbst Auto zu fahren.

Das Essen war die nächste große Umstellung: Da Santiago de Compostela sehr nah am Meer liegt, essen die Menschen dort viel Fisch und Meeresfrüchte. Da ich mich im Vorfeld informiert habe, war ich darauf vorbereitet, habe allerdings trotzdem alles probiert, auch wenn ich bei den meisten Sachen schon beim Anblick wusste: Das ist nichts für dich! Ein typisches Gericht in dieser Region ist der Tintenfisch (Pulpo), in allen nur denkbaren Variationen und Preisklassen. Es gibt sehr viele Fachgeschäfte (Pulperías) in Spanien. Sehr beliebt außerdem sind Schwertmuscheln (Navajas), Meerspinne (Centollo) und Miesmuscheln (Mejillónes). Woran ich mich in all der Zeit allerdings nicht gewöhnen konnte, war die allgemeine Lautstärke. In vielen Restaurants, Bars und Cafés versteht man sein eigenes Wort nicht mehr und muss schon sehr laut reden, damit die andere Person es verstehen kann. Kleine Häppchen werden in jedem Lokal gereicht, sobald man etwas zu trinken bestellt, was ich wirklich als einen tollen Service empfunden habe.

Mir hat das Praktikum sehr gut gefallen, auch wenn vier Wochen definitiv zu kurz waren. Um sich sprachlich weiterzubilden, hat die Zeit nicht wirklich ausgereicht. Ich verstehe spanische Muttersprachler und den typischen galizischen Akzent um einiges besser und konnte meinen Wortschatz vergrößern. Um allerdings wirklich bewusst zu merken, dass sich deutlich etwas verbessert, muss man schon mindestens ein paar Monate dort verbringen oder im besten Fall ein Jahr. Ich würde trotzdem jedem raten, wenn er so eine Chance bekommt, diese auch wahrzunehmen, da es echt eine wunderbare Erfahrung ist.